©Seeber – André Trulsen mit JMH-Reporterin
Um 10:00 Uhr morgens treffen wir am 08.05.2010, trotz leichtem Nieselregen, auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli zum Abschlusstraining ein. Gut gelaunte Spieler laufen sich warm. Kein Wunder, denn den Aufstieg haben sie seit sechs Tagen in der Tasche. Im Anschluss an das Training treffen wir André Trulsen, den sympathischen Co-Trainer des FC St. Pauli, der seit 1986 im Verein ist und somit der perfekte Interviewpartner in Sachen 100 Jahre FC St. Pauli darstellt. Gut gelaunt spricht er im Interview mit jungeMedien-Hamburg.de über den Aufstieg, die letzten 30 Jahre im Verein, das Jubiläum und warum der FC St. Pauli so ein besonderer Verein ist.

©Seeber – Co-Trainer und Urgestein des FC St. Pauli: André Trulsen
Herr Trulsen, herzlichen Glückwunsch zum Aufstieg! Es sind ja nun ein paar Tage vergangen und es steht morgen das letzte Spiel vor der Tür. Können Sie es so langsam fassen, dass Sie nächstes Jahr wirklich in der ersten Bundesliga spielen werden?
André Trulsen: Dankeschön erstmal für die Glückwünsche! So richtig realisieren kann man es glaube ich noch nicht, was wir diese Saison geleistet haben. Es ist ja auch etwas Einmaliges, ein unerwartetes Ziel erreicht zu haben. Das Kribbeln geht, denke ich, erst so richtig los, wenn der erste Spielplan draußen ist und man erfährt, gegen wen man spielt. Jetzt ist zuallererst nur Freude pur da und wir wollen jetzt am Sonntag erstmal richtig groß feiern.
Ein Aufstieg zum Hundertjährigen, zwei historische Daten treffen aufeinander. Hätten Sie vor der Saison damit gerechnet, dass Sie gleich zwei solche Ereignisse im Jahre 2010 feiern dürfen?
André Trulsen: Erhofft, wollen wir mal so sagen. Man hat ja immer das Ziel, Spiele zu gewinnen und man geht auch davon aus, dass man gegen jeden Gegner gewinnen kann, aber dass wir das konstant über eine Saison hinbekommen, da waren noch Zweifel da. Die Mannschaft hat hier sensationelles geleistet, hat sich sehr fokussiert auf die Spiele und auf die Saison und ist dann mit dem Aufstieg belohnt worden.
Sie haben vier Aufstiege in die erste Liga miterlebt, drei davon als Spieler. Nun der Aufstieg im Jahre des 100-jährigen Jubiläum. Ist das noch mal eine ganz besondere Erfahrung?
André Trulsen: Sicherlich ist es eine Besonderheit, dass ein Verein 100 Jahre alt wird – und dann in dem selben Jahr auch noch einen Aufstieg zu schaffen, das schaffen glaube ich auch nicht so viele Vereine. Das ist dann natürlich auch etwas ganz, ganz Besonderes. Es ist jetzt ja nicht nur dieses Jahr, sondern auch die letzten drei bis vier Jahre. Alles was hier entstanden ist im Verein: Wir haben zwei Tribünen gebaut und zwei Aufstiege geschafft. Jetzt die 100-Jahre-Feier. Es ging stetig bergauf. Wir wollen natürlich auch die nächsten Jahre erfolgreich sein und ich hoffe, das gelingt uns auch!
Sie sind bereits seit 1986 im Verein. Sie haben 177 Bundesligaspiele sowie 178 Zweitligaspiele für den FC St. Pauli bestritten, mehr als jeder andere. Sie haben zwischendurch noch ein paar Ausflüge zu anderen Vereinen gemacht, aber Sie haben immer wieder zurück zu St. Pauli gefunden. Sie waren Trainer und sind nun Co-Trainer des FC St. Pauli. Warum haben Sie so eine tiefe Verbundenheit mit diesem Verein? Was macht den FC St. Pauli so einzigartig?
André Trulsen: Das ist immer schwer zu sagen, woran das liegt. Es ist halt diese Verbundenheit, die man erlebt haben muss. In einem Stadtteilverein zu spielen, erfolgreich zu sein, dies alles mitzuerleben, wie wirklich alle hinter der Mannschaft und hinter diesem Verein stehen und das alles über die Jahre hinweg. Ein Miteinander zwischen Fans, Verein und Mannschaft, wo ein Wir-Gefühl entstanden ist. Sicherlich hatte man mal das ein oder andere Mal Schwächeperioden zu überstehen, aber es war immer ein Stamm von 10 bis 1500 Fans da, die immer ins Stadion gekommen sind. Egal ob dritte, zweite oder erste Liga. Die Euphorie ist nun wieder richtig entfacht worden und für mich ist über die Jahre auch etwas gewachsen. Es ist eine Herzensangelegenheit für mich, den Verein zu trainieren, wo ich auch erfolgreich gewesen bin. Ich habe 13 Jahre als Spieler in diesem Verein miterleben dürfen und jetzt bin ich in der 6. Saison als Co-Trainer tätig – und da wächst in dem Sinne vieles zusammen. Ich habe so viele liebe Menschen um den Verein herum kennengelernt und das weiß ich auch zu schätzen, und ich freue mich einfach immer noch für diesen Verein tätig zu sein.
In den drei , der zehn Jahrzehnte, die Sie beim FC St. Pauli miterlebt haben, (80er Jahre, 90er Jahre und wieder seit 2005), was war das schönste und was das schmerzhafteste Erlebnis?
André Trulsen: Das ist immer schwer zu sagen. Klar, wenn man ein Ziel erreicht hat, worauf man Jahre hingearbeitet hat, dann ist das immer etwas ganz Besonderes und da möchte ich auch keinen Aufstieg herausheben. Sicherlich ist es da, wo man es das erste Mal erlebt hat, sehr schön. Auch damals bestand die Mannschaft fast komplett aus Hamburgern, die über Jahre für die Amateure gespielt haben und dann aufgestiegen sind, in der zweiten Liga gespielt haben und es dann in die erste Liga geschafft haben. Da sehe ich jetzt auch Parallelen zu der aktuellen Mannschaft, bei der auch viele in der 3. Liga angefangen haben und es nun geschafft haben, sich Bundesligaspieler zu schimpfen. Das ist eben etwas ganz Besonderes! ich habe jedes einzelne Spiel als Highlight angesehen. Ein Bundesligaspiel zu bestreiten, empfinde ich immer als etwas ganz Besonderes.
Das Schmerzhafteste waren vielleicht die Relegationsspiele gegen die Stuttgarter Kickers (1991), wo wir es als Favorit nicht geschafft haben, die Klasse zu halten. Und dann das Entscheidungsspiel in Gelsenkirchen, welches wir 3:1 verloren, das war dann der Tiefpunkt.
Rund um das Jubiläum sind zahlreiche Veranstaltungen geplant. Welches der Ereignisse würden Sie unseren Lesern am meisten empfehlen.
André Trulsen: Da gibt es einige Highlights. Eben das Spiel am 15.05.2010 gegen FC United of Manchester, wo wieder einige ehemalige Spieler zurück ans Millerntor kommen und auflaufen werden. Aber auch das Spiel gegen Celtic Glasgow am 18.05.2010 ist ein Highlight, worauf man über Jahre hingearbeitet hat, dass dieser Traditionsverein, zu dem ja auch eine enge Fanfreundschaft besteht, ans Millerntor kommt.
Sicherlich sowohl das Jubiläumskonzert am 29.05.2010, wo viele Bands auftreten werden als auch die Vereinsfeier auf dem Heiligengeistfeld am 23.05.2010 sind absolut empfehlenswert.
Die Fans des FC St. Pauli sind dem Verein in jeder Liga treu geblieben. Selbst zu Regionalligazeiten hatte der FC mehr Zuschauer als so mancher Erstliga-Verein. Sind es Ihrer Meinung nach auch die Fans, die mit ihrem Fanatismus, ihren Choreographien und den typischen Gesängen, den Verein zu dem gemacht haben, was er ist?
André Trulsen: Absolut! Auf jeden Fall. Die Fans haben einen großen Anteil daran , dass der Verein so populär und bekannt ist. In ganz Deutschland kennt jeder den FC St. Pauli. Damals als ich 1986 angefangen habe ist das alles ja so langsam entstanden mit dem Aufstieg in die zweite Liga. Als wir fünf Jahre lang erfolgreich zweite und erste Liga gespielt haben. Dann ging es los mit dem Privatfernsehen, wo auch vieles positiv nach außen getragen wurde. Der Verein ist immer sympathisch und kreativ rüber gekommen und da haben die Fans natürlich einen sehr sehr großen Anteil dran. Darüber hinaus haben sie uns in jedem Spiel wirklich 100-prozentig unterstützt und angefeuert, und haben wirklich versucht, dass der Funke von den Tribünen auf das Spielfeld herüber geht. Die Fans haben bei sehr vielen Spielen einen großen Anteil daran, dass wir sie gewonnen haben.
Wie sehen Sie die Zukunft des FC St. Pauli? In welcher Liga sehen Sie den FC St. Pauli langfristig?
André Trulsen: Ich hoffe, dass wir uns wirklich dort in der ersten Liga etablieren können, und dass wir dort auch eine gute Rolle spielen. Es gibt ja genügend Vereine, die in die erste Liga aufgestiegen sind, die auch ihre Hausaufgaben gemacht haben. Ob das nun Mainz, Hoffenheim oder Freiburg ist. Die spielen ja alle ganz gut in der ersten Liga mit: Wir wollen das auch weiterentwickeln und wir wollen auch sportlich weiter erfolgreich sein. Das Stadion wird wieder weiter wachsen. Die nächsten zwei Tribünen werden gebaut und dann wird hoffentlich 2014 auch das komplette Stadion stehen – und so möchten wir dann auch, dass die Mannschaft in der ersten Liga eine gute Rolle spielt und wir erfolgreich sein werden.
Vielen Dank und viel Erfolg weiterhin!
Interview: JMH-Reporterin Kunkel
weitere Informationen: www.fcstpauli100.com
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