Hamburgs bekanntester Rapper über sein Leben, sein Verhältnis zu Deutschland und seine Ansichten über Rassismus
©Bildquelle: Deluxe-Records.de
Samy Deluxe (bürgerlich Samy Sorge, 31) gehört zu Deutschlands bekanntesten Rappern. In Hamburg hat er 4 Jahre die Wolfgang Borchert Schule in Eppendorf besucht, an der er auch seinen Realschulabschluss gemacht hat. Sein letztes Soloalbum „Dis wo ich herkomm“ stieß in Deutschland vereinzelt auf Kritik. Angeblich stachelt Samy darin den Nationalstolz in Deutschland an, so seine Kritiker. Jetzt hat er auch sein erstes Buch „Dis wo ich herkomm: Deutschland Deluxe“ veröffentlicht, in dem er über sein Leben, seine Erfolge und sein neues Verhältnis zu Deutschland spricht. Das Buch trägt zwar autobiografische Züge, ist aber eigentlich ein Buch über seine Gedanken zu Deutschland, wie Samy uns sagt. jungeMedien Hamburg interviewte ihn.
Samy Deluxe, du hast gerade deine Autobiografie veröffentlicht. Wie lange hast du daran gearbeitet?
Ich habe mit meinem Coautor Götz Bühler ungefähr 2 Jahre an dem Buch gearbeitet. Ich nenne es eigentlich nicht eine Biografie und es wird ansich auch nicht unter Biografie gehandelt. Es gibt zwar schon biografische Passagen, aber es ist nicht wirklich so aufgebaut, dass die erste Seite da anfängt, wo ich geboren wurde. Es ist eher ein Buch über meine Gedanken zu Deutschland.
In deinem Buch räumst du auch mit der Legende auf, dass du Samuel heißen würdest. Wie kommt es, dass du in der Biografie auf Laut.de und auf vielen anderen Seiten (MTV, VIVA, etc.) jahrelang und bis vor kurzem immer noch Samuel genannt wurdest?
Ich weiß es auch nicht. Die Leute interpretieren das da rein und deshalb habe ich auch in meinem neuen Album „Dis wo ich herkomm“ in dem Lied „Wer ich bin“ von vorneherein klargestellt: „Ich heiße Samy mit einem M und nicht Samuel.“ Denn entweder wird immer Samuel Sorge geschrieben oder Samy mit Doppel-m. Deshalb musste ich das einmal irgendwie aufklären.
Wieso ist das jetzt erst aufgeklärt worden?
Ich hab es hier und da mal mitbekommen, dass Leute meinen Namen falsch schreiben und mich Samuel nennen, aber ich habe da trotzdem keine großartigen Schritte eingeleitet. Das ist eben ein Risiko, was man hat, wenn man in der Öffentlichkeit steht, dass Leute Sachen falsch interpretieren oder falsch schreiben. Und da ist der Namensfehler noch das Geringste, was passieren kann.
Dein Vater hat dich sitzen gelassen als du zwei Jahre alt warst. Deine Mutter ging mit dir durch dick und dünn. Welche Bedeutung hat deine Mutter für dich?
Das ist die Person, die meine Hauptbezugsperson in meiner Kindheit war. Dadurch, dass wir jetzt auch zusammen arbeiten, sind wir natürlich noch mehr zusammengeschweißt. Sie macht die Terminplanung und die ganze Buchhaltung. Wir verstehen uns sehr gut und haben ein sehr gutes Verhältnis.
Auf deinen Konzerten werden neuerdings Flyer gegen dich verteilt, weil du in deinem neuen Soloalbum „Dis wo ich herkomm“ angeblich den Nationalstolz in Deutschland anstachelst. Bist du einigen zu national geworden oder was läuft da schief?
Ne. Ich hab ja nicht mal wirklich gesagt, dass Deutsche mehr Nationalstolz entwickeln sollen. Ich wurde und werde da definitiv von Leuten missverstanden und muss jetzt eben hier und da damit leben, dass da irgendwann 5 Leute vor der Tür stehen. Ich hab das Thema nur mal zur Debatte gestellt, weil ich es einfach interessant finde, dass alle Leute, die wahrscheinlich immer hier bleiben werden, sich trotzdem ständig über Deutschland aufregen. Und ich bin der Meinung, dass dies am Ende zu nichts Konstruktivem und Positivem führt. Wenn tausend Leute auf meinen Konzerten sind und gut finden, was ich mache, dann sind das ja keine rechten Deutschen, die auf meinen Konzerten sind und meine Musik hören. Es sind zu 99% Leute, die damit was anzufangen wissen und wissen, wofür meine Texte stehen und wofür ich stehe. Und ich kann mir letztendlich als dunkelhäutiger Deutscher mit afrikanischen Wurzeln mehr erlauben, solche Sachen mal anzusprechen, als es jetzt ein weißer Deutscher machen könnte. Ich hätte letztendlich nie damit gerechnet, dass man mich mit irgendetwas rechtem im Verbindung bringen könnte. Ich will nicht, dass so eine Art Nationalstolz entsteht, wie es ihn damals gab, aber ich denke, es gibt viele Gründe, warum man dieses Land hier mögen kann.
Es ist albern, ein Land immer pauschal schlecht zu finden, nur weil man dann als Nazi abgestempelt werden könnte. Ich glaube, in 10 Jahren werden wir an einem Punkt sein, wo alle Leute mit Migrationshintergrund gar kein Problem mehr mit Deutschland haben und sich hier mehr zuhause fühlen als da, wo vielleicht ihre andere Hälfte herkommt. Und diese Leute mit Migrationshintergrund werden mehr zu Deutschland stehen können als die richtigen Deutschen, und ich glaube, das wird dann wirklich ein Problem werden, auch für die Deutschen. Gerade deshalb wollte ich das Thema ansprechen und zur Diskussion stellen. Es gibt viele interessante Reaktionen und ich glaube, ich kann froh sein, dass mir die Leute so zuhören und überhaupt reagieren.
Es gibt genug Politiker, die was sagen, und keiner reagiert in überhaupt irgendeiner Weise darauf. Man muss aber auch klar stellen, dass es hier nicht die Antifa-Spitze ist, die sich über meine Texte aufregt, denn ich kenne genug Leute aus der linken Szene. Die scharfe Kritik an meinen Texten kommt überwiegend von Leuten, die gegen irgendwas kämpfen, was jetzt gerade interessant scheint. Es ist eben interessanter über Samy Deluxe zu reden, als über irgendeinen politischen Gefangenen. Das sind oft Mitläufer, die gar nicht genau wissen, für wen oder gegen was sie demonstrieren. Da fehlt dann oft jede Gesprächsgrundlage. Ich habe mich mit Kritikern unterhalten, und da kamen dann solche Argumente wie: „Es wäre am besten, wenn es gar keine Nationen und Grenzen geben würde.“ Das wäre genauso, wie mit Jugendlichen über Kriminalität zu reden und zu sagen, es wäre am besten, es gäbe keine Kriminalität. Es gibt sie, und die Frage ist doch: Wie gehen wir damit um?

©Marvel - Storm wird in dem populären Kinoerfolg "X-Men" von der dunkelhäutigen Hollywood-Schönheit Halle Berry gespielt
Dein achtjähriger Sohn Elijah findet, es gibt zu wenig dunkelhäutige Superhelden. Kennt er Eddie Murphy, Obama, Muhammad Ali, Blade und Hancock noch nicht? Die Marvel-Superheldin Storm von X-Men wird ja sogar von der hübschen Halle Berry gespielt…
Ja klar, hier und da kennt er einige von diesen Leuten schon. Aber es geht ja trotzdem darum, dass man schon ein bisschen Recherche betreiben muss, um die zu finden, zwischen Superman, Batman, Harry Potter und Luke Skywalker. Bei all den coolen Sachen in dem Alter, da gibt es eben viel zu wenige dunkelhäutige Menschen drinnen. Da fühlt man sich in dem Alter viel zu wenig reflektiert.
In deinem Buch geht es auch um Rassismus und Diskriminierung. Warum glaubst du, dass Menschen mit afrikanischen Wurzeln es in Deutschland besonders schwer haben?
Ich hab nie gesagt, dass wir es besonders schwer haben. Es geht einfach darum, dass es einfach verschiedene Arten von Rassismus gibt und verschiedene Leute mit verschiedenen Herkunftsorten werden auch für verschiedene Sachen diskriminiert. Und bei Schwarzen ist es nun einmal so – zumindest war es damals in der Zeit, wo ich aufwuchs, noch so -, dass Schwarze immer sehr direkt mit „Sklave“ und solchen Worten wie „Bimbo“ und dem „N-Wort“ assoziiert worden sind. Und es gab da halt noch viel weniger als heute positive Assoziationen mit schwarzen Personen. Heute sind die meisten natürlich schon aufgewachsen mit Michael Jordan, Michael Jackson als er noch schwarz war und so vielen schwarzen Schauspielern, wie Eddy Murphy und solchen Leuten, die du vorhin erwähnt hast. Ich denke, heute ist es für viele Leute der jüngeren Generation viel leichter. Das „N-Wort“ ist leider auch stark vom amerikanischen Rap geprägt worden. Für mich persönlich ist es beleidigend, wenn mich ein Weißer so nennt.

Bildquelle: dasmagazin.ch - In Tansania (Ostafrika) werden Albinos gejagt und zu Zauberpulver verarbeitet
In Tansania werden Albinos gejagt und zu Zauberpulver verarbeitet. Wo liegen deiner Meinung nach die Wurzeln des menschlichen Rassismus?
Es ist wichtig zu erwähnen, dass Rassismus kein rein deutsches Phänomen ist. Gerade auch für die Leute, die Rassismus noch nicht am eigenen Leib erlebt haben. Rassismus gibt es überall. Die Angst vor allem, was ein bisschen fremd ist, denn die Leute wissen oft nicht, wie sie damit umgehen sollen. Es gibt leider immer wieder dieses Bedürfnis, wenn Menschen einen Komplex mit sich selbst haben und sich als was niedriges in der Gesellschaft sehen: Sie versuchen, jemanden zu finden, der noch weiter darunter ist, um diesen dann auszugrenzen, zu diskriminieren oder sogar zu misshandeln – egal ob verbal oder physisch. Leider ist das in vielen Menschen drinnen. Verstärkt wird das vielleicht noch durch die Gewalt, die ständig in den Medien gezeigt wird.
Wir sind mitten in der Wirtschaftskrise: Massenarbeitslosigkeit und schwindende Perspektiven für eine desillusionierte Jugend. In deinen Songtexten schürst du trotzdem neue Hoffnung. Sorgst du dich um die Zukunft deines Kindes?
Naja, ich denke, viele Sachen die mit dieser Perspektivlosigkeit zu tun haben, liegen direkt an den Umständen, wie Jugendliche jetzt aufwachsen – und das kann ich bei meinem Sohn direkt beeinflussen. Natürlich macht man sich hier und da Sorgen, aber um ihn mach ich mir dann letztendlich doch nicht so viel Sorgen, wie um viele Kids, die ich kenne, die nie oder sehr, sehr selten die Chance haben werden zu reisen und die Welt zu sehen oder andere Menschen kennenzulernen. Mein Sohn wächst zweisprachig auf, so dass er Deutsch und Englisch spricht, er lernt sehr schnell Worte von anderen Sprachen. Französische Worte, die ich so kenne, bringe ich ihm auch bei. Man kann so viel aus sich und seinem Leben machen und genau das ist es, was man den Kids heute vermitteln muss. Der Horizont ist heute oft sehr beschränkt. Viele Kids kennen nur ihr Viertel und ihre Straßen und trauen sich da nicht wirklich raus. Egal ob in den reicheren oder in den ärmeren Vierteln. Man geht höchstens mal in die Innenstadt. Aber ich habe das Gefühl, das Land und andere Städte kennen die Wenigsten. Das ist natürlich schade. Ich bin beispielsweise damals in meiner Hip-Hop-Zeit noch sehr viel in Deutschland umhergereist.
Wie läuft dein Projekt „Crossover“?
Das Projekt läuft sehr gut. Das Hauptelement sind Workshops, in denen wir immer zwei Schulen oder Klassen aus sehr unterschiedlichen Vierteln zusammen bringen. Von der 5 . Klasse bis zur 9. Klasse.
In den gemischten Gruppen machen wir dann Workshops in Basketball, die ein Kollege von mir, Marvin Willoughby, macht. Dann gibt es noch die Rap-Workshops, wo wir uns einfach Themen aussuchen, dazu Stichworte sammeln, dann Reime suchen und dann bringen wir das in eine Rap-Form und wir rappen das dann als Chor. Zwischendurch reden wir auch über verschiedene gesellschaftliche Themen. Ich versuche denen auch beizubringen, dass man mal über vernünftige Sachen reden muss, und nicht immer nur darüber, wer wen gedisst hat.
Vielen Dank für das Interview!
Interview: JMH-Reporter Schulz
weitere Informationen:
Website von Samy: www.deluxe-records.de
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Wieder ein Klasse geführtes Interview 🙂
Die Antworten über Nationalstolz etc. von Samy haben mich beeindruckt. Es ist schön wenn jemand Medienpräsentes diese Einstellung hat und seinen Status dazu nutzt soetwas zur Diskussion zu bringen. Großen Lob in Richtung von Samy.
LG
Endlich mal wieder was mit Message. Ich finde gut, was Samy da versucht. Viel Erfolg!
gutes interview. samy war aber nicht der einzige schwarze an der borchertschule. ich war auf der schule und bin auch halbschwarzer. es gab auch viele schwarze, türken und andere. keiner ist an der borchertschule in eppendorf diskriminiert worden. samy ist also an dieser schule wegen seiner hautfarbe nicht mehr und nicht weniger als andere benachteiligt worden. ich persönlich bezweifel das er in den achtziger und neunziger jahren der einizge dunkelhäutige an überhaupt einer deutschen schule war. das er wegen seinen glatten haare probleme hatte und deswegen vielleicht gehänseltz wurde ist ein anderes ding. schwarze haben nun mal normalerweise keine glatten haare, es sei denn sie sind geglättet wie bei snoop doggy dog samy sah schon damals immer mehr aus wie ein inder. in indien würde er höchstens wegen seiner größe auffallen
Die Schwarzen weinen in Deutschland noch zuviel rum darüber, daß sie disrkriminiert werden. Zum Glück gibts schon viele die auf den scheiß kein bock mehr haben immer nur über diskriminierung zu labern. mehr selbstbewusstsein!! wir Türken haben es schließlich auch zu was gebracht in Deutschland und weinen nicht halb so viel wie ihr rum. In Amerika wurden sie 100 mal so viel diskriminiert als in deutschland. ddas weiß jeder der ahnung hat. dann lauft nicht mit amerikanischen Baumwollklamotten rum. jetzt ist sogar omabam präsident. also. Die Welt ist nicht stehengeblieben!!!!!!! Heide tschau MURAT Türkei4Ever
Hey lange nichts mehr von ihm gehört. Dachte schon von Samy hört man nichts mehr.
[…] Samy Deluxe (bürgerlich Samy Sorge, 31) gehört zu Deutschlands bekanntesten Rappern. In Hamburg hat er 4 Jahre die Wolfgang Borchert Schule in Eppendorf besucht, an der er auch seinen Realschulabschluss gemacht hat. Sein letztes Soloalbum “Dis wo ich herkomm” stieß in Deutschland auch auf Kritik. Angeblich stachelt Samy darin den Nationalstolz in Deutschland an, so seine Kritiker. Jetzt hat er auch sein erstes Buch “Dis wo ich herkomm: Deutschland Deluxe” veröffentlicht, in dem er über sein Leben, seine Erfolge und sein neues Verhältnis zu Deutschland spricht. Das Buch trägt zwar autobiografische Züge, ist aber eigentlich ein Buch über seine Gedanken zu Deutschland, wie Samy uns sagt. jungeMedien Hamburg interviewte ihn. Mehr finden Sie unter jungemedienhamburg.wordpress.com […]
Hi Sammy,
hör Dir doch mal das Lied „I dont want to set the world on Fire“ an. Würde da ein Rap gehen?
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