©Privatarchiv – Thomas Morris
Der deutsche Schauspieler Thomas Morris wurde 1966 in Wien geboren. Seine Liebe zum Schauspiel und zur Musik ließ ihn nie los, also gab er den erlernten Beruf als Landschaftsarchitekt auf und besuchte von 1987 bis 1990 die Schauspielklasse des Franz-Schubert-Konservatoriums in Wien. 1992 drehte Thomas Morris mit dem damaligen US-Underground-Star Jon Jost in Oregon den Film „The Bed You Sleep In„. 1993 spielte er Grun, den Adjutanten des Lagerkommandanten Amon Goeth (Ralph Fiennes), in Steven Spielbergs „Schindlers Liste„.
1997 verließ er Wien und lebt seither in Berlin und Los Angeles. Unter der Regie von Ron Howard dreht er aktuell als einziger deutschsprachiger Darsteller bei Dreharbeiten zum Film „Illuminati“ (amerik. Originaltitel: „Angels and Demons“) in der Rolle des Ersten Schweizergardisten in Los Angeles. Illuminati ist die zweite Bestseller-Verfilmung eines Romans von Dan Brown ( Sakrileg – The Davinci Code).
Neben der Schauspielerei ist Thomas Morris auch als Autor tätig, schreibt Liedtexte, Filmdrehbücher und veröffentlichte 2000 eine Auswahl von Kurzgeschichten und Gedichten unter dem Titel OPEN. Thomas Morris verkörpert sehr unterschiedliche Rollen, legt großen Wert auf Abwechslung und möchte sich nicht auf einen Rollentyp allein festlegen lassen. Er lebt zurückgezogen, betreibt viel Sport, meditiert, liebt Reisen, guten Wein und gutes vegetarisches Essen.
Sehr geehrter Herr Morris, Sie drehen derzeit in Los Angeles „Illuminati“ nach dem gleichnamigen Roman von Dan Brown. Wie sehr unterscheidet sich die Arbeit am Set in Hollywood zu der Arbeit in deutschen/europäischen Produktionen?
Erstmal durch die Größe und den finanziellen Rahmen. Aber auch durch die Professionalität. Die Amerikaner sind Weltmeister in Motivation und Freundlichkeit, für sie ist Dienstleistung (im Gegensatz zu Deutschland) keine Erniedrigung, sondern eine Selbstverständlichkeit. An einer solchen Produktion arbeiten viele hunderte Menschen am Set mit, und jeder einzelne grüßt, ist freundlich, scherzt, ist froh und stolz dabei zu sein. Obendrein sind natürlich die Wohnwagen größer, wir haben ein sensationelles Catering, bei jeder Mahlzeit vier verschiedene Hauptspeisen zur Auswahl und alles drum herum, was man sich nur vorstellen kann. Aber einer der größten Unterschiede für Schauspieler ist: geregelte Arbeitszeiten, bezahlte Überstunden und eine eigene, sehr mächtige Gewerkschaft die das kontrolliert!
Sie sind in Wien geboren, wohnen in Berlin und pendeln immer wieder auch nach Los Angeles. Wo fühlen Sie sich zu Hause? Fühlen Sie sich als Österreicher, Deutscher, Europäer oder Weltbürger?
Ganz schwierig zu beantworten. Darüber habe ich gerade gestern erst mit meinem Freund Norbert Weisser gesprochen, der vor 40 Jahren von Deutschland nach LA ausgewandert ist. Ich liebe Los Angeles, ich fühle mich hier frei, leicht, inspiriert und tatsächlich auch zuhause. Ich weiß jedoch nicht, ob ich hier für immer leben wollte. Ganz sicher ist es kein idealer Ort, um Kinder groß zu ziehen oder um alt zu werden. Auch wenn ich vor 12 Jahren ganz bewusst aus Österreich weggegangen bin, fühle ich mich meiner Heimat doch sehr verbunden – je länger ich weg bin, je weiter ich weggehe, desto mehr vermisse ich Österreich, die Menschen, das Essen, die Landschaft, unsere Kultur und Sinnlichkeit. Nach 12 Jahren in Berlin ist mir aber auch da vieles ans Herz gewachsen, das ich vermissen würde, wenn ich wegginge. Aber ich denke, dass ich irgendwann wieder nach Österreich zurückkehren werde, weil die Lebensqualität einfach einmalig ist und da meine Wurzeln sind. Auf jeden Fall war es wichtig für mich, mit Dreißig weg zu gehen und ein Stück von der Welt kennen zu lernen.
In Ihrem Buch „Ganz weit draußen“ – was mir persönlich übrigens sehr gut gefallen hat, einige der Kurzgeschichten lese ich immer wieder – beschreiben Sie in einer Kurzgeschichte, wie wichtig es ist, sich selber und andere wertzuschätzen. Auch in dem spirituellen Magazin SEIN veröffentlichten Sie Artikel. Sind Sie religiös, gläubig oder meditieren Sie?
Ich habe eine enge Beziehung zu Gott. So wie ich ihn jedoch erlebe hat er wenig mit dem der Weltreligion gemeinsam. Für mich ist Gott mehr die Summe von allem was ist. Er ist in allem, daher ist auch alles göttlich, und sollte als das was es ist akzeptiert und respektiert werden. Alles ist aus demselben Stoff gemacht und jeder muss für sich selbst entscheiden, was er oder sie will, was für den Einzelnen richtig und wichtig ist. Das ist ein fließender Prozess. Mit jeder Veränderung, jedem neuen Tag erweitert man (im Idealfall) den eigenen Horizont und verändert somit auch die eigenen Bedürfnisse und Perspektiven. Keiner kann mir sagen, was für mich richtig ist. Das muss ich selbst herausfinden. Das bedeutet: Eigenverantwortung. Ich entscheide, wer ich bin und was in meinem Leben Platz hat. Wenn ich respektiert werden will, muss ich andere respektieren. Wenn ich will, dass man mir zuhört, muss ich selbst zuhören können. Man kann nur das ernten was man aussät.
Ich habe vor über zehn Jahren zu meditieren begonnen, da es für mich wichtig war, ein Werkzeug zu haben, das meine Sinne schärft und mich bewusst macht, mir hilft bei mir zu bleiben, gegenwärtig zu sein, den Lärm im Außen auszublenden, mich zu fokussieren, zu konzentrieren. Da ich in einer Branche arbeite, die sehr stark auf Äußerlichkeiten fixiert ist und dazu neigt, zu vereinnahmen, ist es für mich wichtig, mich immer wieder zurück zu ziehen und in mich hinein zu horchen. Deshalb habe ich Meditation erlernt, habe später eine Meditationslehrer-Ausbildung gemacht und meditiere regelmäßig. Wenn ich die Zeit und die Gelegenheit dazu habe, unterrichte ich auch Meditation, was mir große Freude macht.
Sie gehen auch sehr gerne Laufen und Joggen. Schon mal daran gedacht, an einem Marathon teilzunehmen?
Ja, daran gedacht habe ich schon oft. Ich war auch schon für mehrere Marathons angemeldet, musste dann aber immer im letzten Moment aus Termingründen wieder absagen, weil irgendwelche Drehtage geändert wurden. Ich bin aber einige Halbmarathons und 10km-Läufe gelaufen und laufe immer noch sehr viel. Auch das Laufen ist für mich im Übrigen eine Form von Meditation. Nach etwa 45 Minuten setzt oft eine Art Trancezustand ein, ich höre auf zu denken, werde ruhig, spüre nur noch meinen Körper, meinen Atem, höre die Geräusche der Natur um mich herum und habe an guten Tagen sogar das Gefühl, das ich ewig weiter laufen könnte. Irgendwann, nach spätestens zweieinhalb Stunden höre ich jedoch auf, weil es langweilig wird.
Ihr Hauptwohnsitz ist in Berlin. Was macht die Stadt Berlin für Sie aus und was empfinden Sie, wenn Sie in diese Stadt nach einer langen Reise wieder zurückkehren?
Berlin ist eine sehr grüne Stadt, was mir sehr wichtig ist. Ich kann von der Haustür weg in den Schlosspark und den Tiergarten laufen, bin mit dem Rad in 15 Minuten im Grunewald, alles ganz tolle Laufstrecken und grüne Oasen. Berlin ist großzügig, bietet viel Platz und Raum, lässt im Grunde jeden so sein wie er will. Das bringt eine gewisse Freiheit mit sich, hat jedoch auch seine Kehrseite, weil dadurch jeder macht was er will und in vielen Bereichen wenig Rücksicht aufeinander genommen wird. Im Laufe der letzten Jahre ist die Stadt meinem Empfinden nach immer lauter, aggressiver und brutaler geworden. Was ich beim Zurückkehren empfinde, hängt ganz davon ab, woher ich komme. Komme ich aus einer Kleinstadt, fühle ich Freiheit und Weite, komme ich aber aus einer entspannten Großstadt wie LA zurück, dann orte ich Aggression und Unsicherheit in Berlin. Das Verhältnis ist also ambivalent.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für die Film- und Fernsehlandschaft in Deutschland wünschen?
Mehr Mut, mehr Begeisterung, mehr Vision, mehr Respekt voreinander und vor der Leistung des anderen, mehr Freundlichkeit, mehr Freude, mehr Leichtigkeit. Ich könnte jetzt viele Seiten darüber schreiben, was aus meiner Sicht (vor allem im Fernsehbereich) alles schief läuft, aber ich finde es interessanter festzuhalten, dass der Deutsche Kinofilm sich in den letzten Jahren sehr gemausert hat, dass es endlich echte deutsche Kassenschlager gibt und dass das Publikum endlich wieder gerne deutsche Filme sieht. In Hollywood hat der deutsche Film in letzter Zeit viel Beachtung und Aufmerksamkeit gefunden. Darauf kann man durchaus stolz sein.
Es nervt mich jedoch, wenn beim Deutschen Filmpreis die Preisträger schlecht gekleidet, barfuß oder Kaugummi kauend vor das Mikro treten und dort verkünden, wie blöd sie den Preis eigentlich finden. Dann sollen sie doch gleich zuhause bleiben. Diese ewige Nörgelei und Besserwisserei ist oft mühsam. Ich glaube, wir sollten lernen, uns einfach mal selbst zu feiern und Spaß zu haben – ohne Wenn und Aber.
Sie selber hatten das Glück, relativ schnell Filme zu drehen und als Schauspieler kontinuierlich arbeiten zu können. Was muss ein Schauspieler Ihrer Meinung nach haben, um von der Schauspielerei leben zu können?
Gute Nerven. Vielleicht braucht man auch Glück – was auch immer dieses Wort bedeutet, aber man braucht vor allem einen starken Willen, muss von sich selbst überzeugt sein, ohne überheblich zu werden. Wie im Sport – und letztlich in allen Bereichen des Lebens -, entscheiden zum größten Teil die Psyche und der Geist über das Ergebnis. Alles Talent, alles Handwerk hilft nicht, wenn man unsicher ist, zweifelt, nicht die nötige Leidenschaft und Begeisterung an den Tag legt.
Wenn ich weiß, was ich will und sicher bin, dass ich es erreichen kann, dann findet sich auch ein Weg meine Träume zu verwirklichen. Das erfordert jedoch Geduld und Vertrauen, zwei Tugenden die ich mir im Laufe der Jahre erst aneignen musste. Wer unsicher ist, sollte es gleich lassen, dafür ist dieser Beruf zu schwierig und zu hart. Wer aber an sich glaubt, bereit ist zu kämpfen, sich zu zeigen, durchzuhalten, der wird dafür meist reich belohnt, denn Schauspielerei ist ein spannender, abwechslungsreicher und nie langweiliger Beruf – es ei denn, man dreht zwanzig Jahre lang die gleiche Serie. Aber das wollte ich nie und deshalb hab ich es auch nie gemacht.
Ich darf sehr viel reisen, viele Menschen und Kulturen kennen lernen, durfte so viele unterschiedliche Charaktere studieren, Emotionen erleben, Sprachen und Dialekte einstudieren, in die unterschiedlichsten Berufe und Milieus hinein schnuppern. Alles Dinge, die mir kein anderer Beruf in der Reichhaltigkeit bieten könnte. Darüber hinaus wurde ich oft auch noch dafür bezahlt! Unglaublich, oder? Was für ein Geschenk!
Wenn Sie einen freien Tag genießen, was darf auf keinen Fall fehlen?
Meine Freundin, viel Zeit, Ruhe, guter Kaffee und gutes Essen.
Interview: JMH-Reporter Stuehl
weitere Informationen:
www.bianca-junker.de (Agentur)
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