Die Lösung vieler Probleme liegt direkt auf der Straße – Interview mit Ahmad Mirzakhani


©A. Mirzakhani „Hier im Sportcenter existiert keine Gewalt. Gekämpft wird nur im Ring.“

Hamburg ist eine Stadt der Reichen. Hier leben viele Menschen, für die ein Haus, ein Auto und gute Schulbildung für ihre Kinder eine Selbstverständlichkeit ist.
Die Hansestadt ist aber auch bekannt für die üblichen Probleme von Großstädten mit ihren gettoisierten Stadtteilen und der zur Zeit auch heiß debattierten Jugendgewalt.
Inmitten der beiden Hamburger Brennpunktgebiete Mümmelmannsberg und Billstedt befindet sich das Sportcenter Bonsai.

Im Gespräch mit dem Geschäftsführer Ahmad Mirzakhani diskutiert JungeMedien Hamburg die Wichtigkeit eines solchen Sportcenters in sozial schwachen Stadtteilen, wo die Bevölkerung zum großen Teil arm ist, die Kriminalitätsrate hoch und die Aufstiegschance junger Leute eine Rarität darstellt.

In der Politik wird zur Zeit kontrovers über Jugendgewalt und Jugendkriminalität diskutiert. Auf den Straßen, in den sozialen Brennpunkten Deutschlands, lassen sich die wenigsten Politiker blicken. Doch manchmal scheint es so, als wenn die Lösung vieler Probleme direkt auf der Straße liegen würde.

Herr Mirzakhani, Ihr Sportcenter besteht schon seit 16 Jahren in einem Stadtteil, der meist durch negative Nachrichten im Blickpunkt der Medien steht. Einigen Jugendlichen steht die Gleichgültigkeit, verursacht durch die Chancenungleichheit in der Gesellschaft, im Gesicht geschrieben.
Welche Rolle spielen Sie in dem Leben der hier in Mümmelmannsberg und Billstedt lebenden Menschen?

Viele der Jugendlichen die hier herkommen, um zu trainieren, sind mit ihrem Leben überfordert. Sie fühlen sich als Menschen zweiter Klasse behandelt und denken in der Gesellschaft wenige Aufstiegsmöglichkeiten zu haben. Einigen fällt es sogar schwer den Beitrag zu zahlen, der ja recht niedrig ist. Auf einen Monatsbeitrag mal zu verzichten ist für mich kein Problem, denn wichtig ist nur, dass wenn sie eine Box- oder Taekwondo Stunde hinter sich haben, ausgepowert sind und mit einem Gefühl von Stärke und Erfolgserlebnissen das Sportcenter Bonsai wieder verlassen. Hier in Mümmelmannsberg gibt es nicht viele Einrichtungen, die den Jugendlichen einen Zufluchtsort bieten.

Herr Mirzakhani, es besteht der Eindruck Ihr Sportcenter arbeitet in der Art und Weise eines Jugendzentrums. Es scheint eine Art Treffpunkt junger Leute zu sein. Ist das so?

Ja, das ist so. Wir sind eine Art große Familie und die meisten Mitglieder sehen

meine Mitarbeiter und ich als unsere eigenen Kinder. Die Kinder sind gerne hier, weil sie hier ihre Sorgen los werden. Für uns liegt die Priorität darin, die Kinder und Jugendlichen weg von der Straße zu bekommen.

Hessens Ministerpräsident Roland Koch hatte die Debatte über härtere Strafen für jugendliche Kriminelle angestoßen. Wie weit müssen Sie sich mit dem Thema Jugendgewalt befassen?

Hier im Sportcenter existiert keine Gewalt. Gekämpft wir nur im Ring.
Ich arbeite schon seit längerem mit der Justizbehörde zusammen. Die jungen Leute die straffällig geworden sind, kommen zu mir und leisten ihre Sozialarbeit bei mir. Eine bessere Strafmaßnahme gibt es doch nicht.

Sie scheinen dem Stadtteil einen Menge Arbeit abzunehmen. Denn gerade in Brennpunktgebieten wie diesen, sollte eigentlich viel investiert werden. Gibt es für Sie Förderungsmöglichkeiten?

Ich habe schon etliche Briefe geschrieben und Anträge gestellt. Aber die dafür zuständigen Ansprechpartner reagieren kaum. Unter anderem das Bezirksamt Hamburg Mitte.
Ich erhalte einen sehr geringen Zuschuss von knapp 450 Euro im Jahr. Mit diesem Geld kann man nicht wirklich etwas bewegen.
Auch habe ich Parteien zu mir eingeladen, um sich ein klareres Bild verschaffen zu können. Doch die Besuche blieben aus.
Der einzige Erfolg war der Besuch eines Politikers der berüchtigten Schill-Partei, die ja auf nationaler Ebene an Bekanntheit durch den kontroversen Politiker Ronald Schill erlangte.
Kurioserweise habe ich vor einigen Jahren nur von der der genannten Partei (rechtsstaatliche Offensive) eine Subvention in Höhe von 2000 Euro erhalten.
Ansonsten bleibt der Ruf nach finanzieller Unterstützung ungehört.

Herr Mirzakhani, viele erfreuliche Geschichten sind hier zu erzählen.
Profiboxer trainieren hier, Sie haben Praktikanten und Auszubildende. Ermutigen Sie diese kleinen Erfolge?

Ja, das ist für mich ein ganz persönlicher Erfolg. Ich bin hier ein Ein-Mann-Unternehmen und biete etwas, was nicht jedes Unternehmen anbietet!
Ausbildungsplätze. Ein Ausbildungsplatz ist heutzutage Gold wert. Und die Jungs und Mädchen in der Umgebung haben es sowieso schwerer. Es müssten alle Unternehmen Ausbildungsplätze anbieten und auch vom Staat unterstützt werden. Leider erhalte ich keine Unterstützung. Aber das macht nichts, denn ich sehe es als eine wunderbare Investition.

Sie arbeiten hier auch viel mit Kindern zusammen. Die Arbeit mit Kindern scheint Ihnen besonderen Spaß zu bringen.

Die Kinder sind die Zukunft. Inzwischen kooperieren auch Schulen mit mir. Das ist natürlich sehr erfreulich! Kinder müssen schon sehr früh an den Sport herangeführt werden, denn Bewegung in welcher Art auch immer, ist essentiell für die Entwicklung.
Wir Deutsche sind zu übergewichtig. Das liest man doch gerade jeden Tag in der Zeitung. Wer ein Anfang zur Besserung erreichen will, sollte hier im Sportcenter Bonsai damit beginnen.

Herr Mirzakhani, was für Projekte planen Sie für die Zukunft?

Es gibt natürlich noch vieles, was ich vor habe, aber erst einmal bringe ich ein Kind zur Welt. Wenn ich das Kind zur Welt gebracht habe, kümmere ich mich vorerst darum und lerne ihm das Laufen. Also ich konzentriere mich nur auf ein Projekt und warte bis es erfolgreich ist. Sonst sind andere Projekte zum scheitern verurteilt. Alles braucht seine Zeit.
Zur Zeit habe ich 2 Auszubildende und 5 Praktikanten. Ich versuche ihnen alles an Wissen zu vermitteln, welches sie für die Zukunft gebrauchen können. Nicht nur Wissen, das ihnen in ihrer Ausbildung hilft, auch Weisheiten fürs Leben. Disziplin, Pünktlichkeit und vor allem Respekt vor ihren Mitmenschen und Autoritätspersonen.

Interview: JMH-Reporter v. Dreden

2 Responses to Die Lösung vieler Probleme liegt direkt auf der Straße – Interview mit Ahmad Mirzakhani

  1. guten tag,ein netter richtiger Befund zum Stadtteil mümmelmannsberg. leider im Internet schwer zu finden ;weil der Name ohne umlaut u statt Ü im Artikel geschrieben ist. Ansonsten ist dieses Sportcenter ACCEPT voll akzeptiert und ein ruhender pol unserer Community. Wenn wir das Gebäude im Sommer 2009 als Haus für Alle in Form eines Mehrgenerationenhaus übernehmen können wollen wir mit dem ACCEPT Studio erweiterte Gesundheitsprogramme in Kooperation mit den Krankenkassen anbieten. Weiterhin alles gute und eine so ordentliche Berichterstattung über Mümmelmannsberg. >> kein CHICO< mit 10 kilo Stoff. Gruß w. Thürnagel 27.12.2008

  2. […] Die Lösung vieler Probleme liegt direkt auf der Straße – Interview mit Ahmad Mirzakhani » […]

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