©behind / M.Schulz – Thomas Wüppesahl, Anfang 2008
Thomas Wüppesahl, geboren 1955 in Hamburg, war als Kriminalbeamter 1987 Mitbegründer der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizistinnen und Polizisten e.V. und Bundestagsabgeordneter der Grünen. Im Oktober 2004 wurde Wüppesahl wegen der Verabredung zu einem Raubmord verhaftet und zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Nach seiner Überzeugung ein Komplott der Hamburger Justiz gegen seine unbequemen Tätigkeiten, vor allem bei den „Kritischen Polizisten“, die vielen als sogenannte Nestbeschmutzer ein Dorn im Auge waren.
Das ungekürzte Interview: Teil 1, Wüppesahl_Biografie.pdf
Das ungekürzte Interview: Teil 2, Wüppesahl_Prozess.pdf
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Hauptbelastungszeuge der Staatsanwaltschaft war ein ehemaliger Kollege Wüppesahls, der als verdeckter Ermittler zum Schein mit Wüppesahl zusammenarbeitete. Dieser verdeckte Ermittler aus dem intimen Umfeld Wüppesahls, besorgte auch die Waffe, mit der der Überfall durchgeführt werden sollte. Nach seiner Haft arbeitet Wüppesahl nun an einem Buch – die Inhalte könnten Stoff für einen neuen Hollywood-Film sein.
In einem ausführlichen Gespräch mit einem Reporter von JungeMedien Hamburg, enthüllt er tiefe Einblicke in seine Biografie, die Arbeit bei den „Kritischen Polizisten“ und die Vorgänge die 2004 zu seiner Verhaftung führten.
Herr Wüppesahl, im Oktober 2004 wurden Sie wegen der Verabredung zu einem Raubmord verhaftet. Der Fall ist nach wie vor undurchsichtig. Überführt hat Sie ein ehemaliger Kollege. Was können Sie uns zu dem Vorgang dieses Ereignisses sagen?
Von „überführt“ kann keine Rede sein. Das ist die staatsanwaltschaftliche Sprachregelung. Ich habe diesen Andreas Sch. – einen ehemaligen Berufskollegen – zu dieser Zeit unter dem Verdacht gehabt, dass er beauftragt wurde, Informationen gegen mich zu sammeln. Und das, obwohl er bis drei-vier Jahre vor dieser Aktion noch mit mir und meiner Frau befreundet war. Ich hatte allerdings auch gute Anlässe dafür, um so etwas anzunehmen. Dann habe ich im September-Oktober 2004 zu mir gesagt, „So, jetzt bringst du es zum Schwur“, mit der Zielsetzung, ihn als V-Mann zu entlarven. Um ihn endgültig auffliegen zu lassen und diese Sache abzustellen, entwickelte ich eine Geschichte, auf die ich mich zum Schein einließ: den geplanten brutalen Raubmord auf einen Geldtransporter.
Des weiteren wollte ich die Mobbing-Problematik auf eine andere gesellschaftliche Diskussionsplattform heben. Mobbing via Strafverfahrensrecht bzw. Strafrecht: Meine damalige Lebenssituation war, dass ich permanent verfolgt worden bin. Nicht nur strafrechtlich, sondern man versuchte sogar, mich zu psychiatrisieren. Es gab zwei ernsthafte Psychiatrisierungs-Anläufe meines ehemaligen Dienstherrn, der Polizei Hamburg – es war ihnen vollkommen egal wie, Hauptsache ich komme weg aus dem Polizeidienst. Klassisches Ausgrenzen, also Mobbing. Insbesondere wollte man mich unbedingt aus dem operativen Bereich des LKA raus haben.
Ich wollte also an die Öffentlichkeit bringen, dass meine Häscher von der Staatsanwaltschaft und der Polizei, auch nicht davor zurückschreckten, aus meinem intimen Umfeld jemanden als V-Mann zu missbrauchen.
Wie lange sind Sie mit dem Kollegen vorher befreundet gewesen?
Wir hatten uns 1987 über die „Kritischen Polizisten“ kennengelernt. Danach sind wir knapp 15 Jahre befreundet gewesen. Ich hatte ihn nach seiner endgültigen Kündigung bei der Polizei Hamburg noch vier Monate in meinem Wahlkreisbüro beschäftigt und anschließend eine Ausbildung zum Kaufmann durch das Arbeitsamt vermitteln können. Es gab weitere diverse Unterstützungsleistungen, weil es für Andreas nach der Polizei mehr oder wenig kontinuierlich bergab ging und ich diese Entwicklung mit Sorge sah.
Ist es nicht ungewöhnlich, jemanden als Spitzel oder V-Mann zu verdächtigen, mit dem Sie vorher 15 Jahre befreundet waren?
Es kam nicht über Nacht, sondern es gab vorher viele Einzelvorgänge, die mich nachdenklich machten. So war ich zum Beispiel im Herbst 2001, zusammen mit meiner Familie, in Ägypten im Urlaub. Andreas Sch. hatte ich über diese Zeit meinen Van ( Ford Windstar ) geliehen, weil er keinen Wagen hatte und weil er darbte – ihm ging es schlecht. Er betrieb als Notlösung eine heruntergekommene Spelunken-Kneipe in Hamburg-Jenfeld, so dass er zu dem Zeitpunkt finanziell keine großen Sprünge machen konnte und sich von Monat zu Monat hangelte. Als wir zurückkamen, war in unserem Haus eingebrochen worden. Es fehlten als wesentliche Sachen einige Aktenordner, wie z.B Finanzakten.
Ich betrieb zu dem Zeitpunkt als genehmigte Nebentätigkeit eine Politik- und Anlagenberatung. Solche Unterlagen werden normalerweise nicht von gewöhnlichen Dieben geklaut. Denken Sie bitte an den aktuell vor wenigen Wochen erfolgten Einbruch bei der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in ihrem Privathaus in Berlin, bei dem zwei Laptops mitgenommen wurden. Alle Welt ging wie selbstverständlich von etwas anderem als einem normalen Einbruch aus. Bei uns wurden 2001 pro forma noch ein paar andere Gegenstände mitgenommen, Teppiche zusammengerollt und das Silberbesteck meiner Großmutter entwendet. Der Schmuck meiner Ehefrau lag zwar ausgekippt im Schlafzimmer, aber zu unserer Überraschung fehlte kein Stück. Wer, bitte schön, klaut Aktenordner?!
Bald danach erzählte mir ein Nachbar, dass er an einem Morgen, kurz nach dem wir in den Urlaub gefahren sind, einen Ford Windstar vom Hof hat fahren sehen – mit einer Person am Steuer, die mir von der Physiognomie ähnlich war.Das traf alles auf Andreas zu. Er hatte außerdem zu dem Zeitpunkt meinen Wagen geliehen. Dann gab es darauf noch zwei seltsame Vorfälle, die meinen Verdacht gegen Andreas weiter erhärteten und zur inneren Gewissheit machten.
Kündigt man da nicht spätestens die Freundschaft?
Richtig. Da gibt es an sich nur zwei Wege, sich aus der Gefahrensituation zu bringen. Entweder man beendet den Kontakt, damit der Spitzel nicht noch mehr Unheil anrichten kann, oder man versucht ihn zu entlarven. Es gibt nur diese beiden Wege.
Sie haben dann also versucht, Ihn zu entlarven. Wie wollten Sie das anstellen?
Ich hab ihm dann am 29. September 2004 diese Geschichte – den Plan für den Raubmord auf einen Geldtransporter – auf unserer Terrasse vorgetragen. Ich habe das allerdings niemals ernsthaft vorgehabt, und der Plan war deshalb so angelegt, dass er auch gar nicht durchführbar gewesen wäre – es gab nicht mal einen Fluchtwagen. Die ganze Nummer hätte so niemals wirklich durchgeführt werden können. Etwas dermaßen Undurchführbares entwickelte ich, um gerade nicht in die Gefahr einer strafrechtlichen Relevanz zu gelangen, geschweige verurteilt zu werden. Das hört man auch an den Abhörprotokollen, ich sagte zum Beispiel: „Wir tun auf doof, stehen an den Schaufenstern und schleichen uns ran. Dann den Genickschuss, die Hand abhacken, Koffer weg“. So gibt es, neben anderen von mir ins Blaue gemachten konkreten Angaben, an dem angeblichen Tatort gar keine Schaufenster, an denen sich potentielle Täter – auch nicht Andreas Sch. und ich – hätten unauffällig aufhalten können. Der „Tatort“, der mir von den Kollegen ausgesucht worden war, besteht dort aus einer hoch gezogenen Wand des Einkaufszentrums, so dass jede Annäherung unbekannter Personen sofort auffiele.
Ich wusste ja, dass ich nach dem 29. September 2004 abgehört wurde. Und mir war klar, Andreas meldet den Gesprächsablauf bei uns auf der Terrasse seinen Auftraggebern. Genau das war ja Bestandteil meines „Plans“, weshalb ich mich zum Schein auf so einen Unsinn einließ. Der Tatbestand, für den ich letztendlich verurteilt worden bin, ist der Paragraph 30 StGB: Die „ernsthafte“ Absicht ein Verbrechen begehen zu wollen. Belegt ist nur, dass ich von Andreas Sch. eine Schusswaffe übernommen habe. Die war allerdings – wie ich aufgrund meiner fachlichen Kenntnisse aus Kriminalistik, Einsatzlehre und rechtlichen Kategorien vor der Übergabe wusste – zuvor unbrauchbar gemacht worden. Zwei Zeugen von mir – ein Hamburger Journalist und die Person meines Vertrauens, Herr Dr. Fleissner, vom UKE -, wurden in der Hauptverhandlung vom Richter gar nicht erst zugelassen. Der Richter stimmte mir aber während der Verhandlung zu: “Ja. Herr Wüppesahl wusste wohl, dass er abgehört wurde.”
Bewiesen ist durch die Hauptverhandlung, dass Andreas Sch. seit dem Oktober 2004 ein faktischer V-Mann gewesen ist. Mir fehlt „lediglich“ der Nachweis für die Zeit vor dem 29. September 2004. Und er bekam auch seinen „Lohn“. Denn schon sechs Tage nach meiner Verhaftung, am 01. November 2004, hatte er plötzlich einen Job, nachdem er zuvor jahrelang Arbeit gesucht hatte. Er ist ein faktischer V-Mann des LKA-Hamburg und der DIE ( Dienststelle Interne Ermittlung ) gewesen, ein klassischer Polizei-Spitzel.
Interview: JMH-Reporter Schulz
THW wird der ewig Verfolgte bleiben.
Der Mann hat einen Hackenschuss vom feinsten
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