©JungeMedien Hamburg/M. Schulz – Die Aktivierung der inneren Lebensenergie durch Taiji
Thomas Börnchen, Jahrgang 1961, lebt in Hamburg und beschäftigt sich sowohl privat als auch beruflich seit über 15 Jahren mit chinesischer Lebenspflege, Philosophie, Mythologie und Kampfkunst. Er bereiste mehrfach die VR China, Nepal und Tibet und war über viele Jahre Mitarbeiter der Zeitschrift „DAO – Magazin fernöstlicher Lebenskunst“. In Hamburg unterrichtet er Taijiquan im traditionellen „Yang Stil“ vom Ursprungsort des Meister Yang ZhenHe.
Fotostrecke: “Taiji im Zeichen des Drachen“
JungeMedien Hamburg wurde durch die Spiegel TV-Reportage „Im Zeichen des Drachen – Chinaboom in Deutschland „ auf ihn aufmerksam und traf sich mit ihm im Hamburger Stadtpark, wo er zwei JungeMedien Hamburg-Reporter in den Yang Stil einführte und mit einem seiner Schüler Taiji-Übungen demonstrierte.
Herr Börnchen, haben Sie vor Taiji auch andere Kampfkünste, Kampfsport oder Meditationssysteme praktiziert?
Ja, begonnen habe ich als Kind mit Judo, später als Jugendlicher habe ich dann mehrere Jahre Kung Fu praktiziert.
Was führte Sie dann auf Taiji?
Taijiquan habe ich im Grunde durch meinen früheren Hausarzt, einen Chinesen, kennengelernt. Er nahm mich zu einer Taiji-Vorführung mit. Ich war sofort von der Geschmeidigkeit einerseits und der Explosionskraft der Bewegungen andererseits fasziniert.
Wieso der Yangstil?
Zum Einen war Yang Luchan, der Begründer des Yang Stil Taijiquan, ein außergewöhnlicher und berühmter Kämpfer, der seine Kunst und sein Wissen im traditionellen Yang Stil Taijiquan hinterlassen hat, zum anderen bietet das Yang-Stil Taijiquan die optimale Symbiose aus Gesundheitsvorsorge, meditativen Aspekten und eben einer wirksamen Kampfkunst.
Wenn wir hier im Westen von Taiji oder Schattenboxen sprechen, denken die Leute meistens an Bewegungen aus dem Yang Stil Taijiquan.
Wie haben Sie Meister Yang ZhenHe kennengelernt?
Meister Yang ZhenHe ist der offizielle Vertreter des traditionellen Yang Stil Taijiquan in der 5. Generation aus Yongnian, dem Ursprungsort des Yang Stil Taijiquan. Er ist in China, aber auch Japan und Europa eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet Form, Tuishou und Partnerübungen, der auch gerade im Bereich Kampfkunst über ein breites Erfahrungsspektrum verfügt. Als ich ihn kennenlernte und die Möglichkeit hatte bei Ihm zu lernen, musste man mich nicht lange bitten.
Haben Sie auf Ihrer Chinareise ausschließlich nach Kampfkünsten gesucht?
Auf meiner ersten schon, bei meiner zweiten bin ich auch durch Tibet gereist, weil ich das Land gern kennenlernen wollte.
Welche verschiedenen Stile hatten Sie in China kenngelernt?
Ich habe mich in erster Linie mit Taijiquan beschäftigt, hatte aber auch die Gelegenheit etwas in Baguazhang, Xingyiquan und Shaolin Gong Fu hineinzuschnuppern.
Wie war das, als Europäer in der Volksrepublik China an einem Kampfkunstturnier teilzunehmen?
Sehr, sehr aufregend. Als ich 1993 die Gelegenheit hatte in Wenxian bei dem 2ten internationalen Taiji Turnier teilzunehmen, war dort neben einigen Ausländern und dem chinesischen Fernsehen auch fast die ganze chinesische Taiji-Prominenz aus fast allen Stilrichtungen vertreten. Das war schon sehr beeindruckend. Vor allen Dingen auch die Tatsache, dass es neben den Formwettkämpfen auch Wettkämpfe im Tuishou, also den Selbstverteidigungs- und Kampftechniken im Taiji gab.
Ist es nicht eher ungewöhnlich in China als „nicht-Chinese“ unter die ersten Drei zu kommen?
Doch, auf jeden Fall zu dieser Zeit. Ich war schon sehr freudig überrascht, als ich als erster „nicht-Asiat“ auf diesem Turnier überhaupt, in der Kategorie Yang Stil Taijiquan den dritten Platz belegen konnte. Für mich war die Möglichkeit unter all diesen fantastischen Taiji-Größen dabei sein zu dürfen eigentlich schon Belohnung genug. Als ich dann auch noch den dritten Platz belegte, war ich überglücklich.
Wie kann man sich solch einen Unterricht am Ursprungsort vorstellen?
Traditioneller chinesischer Unterricht sieht grundsätzlich etwas anders aus als westlicher und orientiert sich weniger an Äußerlichkeiten. Während hier im Westen viel Wert auf Spaß und Wohlfühlen gelegt wird, geht es in China eher um „Gong Fu“, das heißt, die Fähigkeit sich ernsthaft und intensiv mit einer Sache beschäftigen und auseinandersetzen. Es wird mehr Wert auf Eigenverantwortung und Selbstdisziplin gelegt. In China gibt es viel weniger Animation und es ist eine Ehre, wenn Dich ein Lehrer annimmt und Dich unterrichtet.
Welche Eindrücke hatten Sie auf Ihrer Reise in Tibet?
Auf meiner zweiten Reise bin ich auch durch Tibet gereist. Ein wirklich schönes und beeindruckendes Land.
Ist Ihnen in China auch Fremdenfeindlichkeit begegnet?
Ja, auch. Aber das war eher die Ausnahme und dann eher in konservativen Gegenden, wo wir als „fremde Teufel“ beschimpft worden sind. Meistens sind wir sehr freundlich und zuvorkommend behandelt worden.
Wie lange unterrichten Sie jetzt selbst Taiji?
Seit ungefähr 10 Jahren.
Wie sieht es heute mit der Krankenkassenförderung bei den Kursen aus?
Meine Kurse werden von Krankenkassen bezuschusst. Das heißt, Sie können – je nach Kasse verschieden – einen Teil der Kursgebühren erstattet bekommen.
Wo setzen Sie den Schwerpunkt im Unterricht?
Meine Schwerpunkte liegen ganz klar in der Gesunderhaltung, der Meditation aber auch den Partnerübungen – dem „Tuishou“. Ziel ist die Verbesserung der Stabilität auf verschiedenen Ebenen und der Lebensqualität.
Wie sieht es mit der Anwendung des Taiji aus?
Anwendungen spielen im Taiji in ersten Moment eine untergeordnete Rolle, weil es hier erst einmal um das Verständnis verschiedener Prinzipien und um grundsätzliche Dinge geht, die das Schattenboxen (Taijiquan) nun mal von anderen Künsten unterscheidet. „Härte mit Weichheit überwinden“, oder der Aspekt des „nicht wollens“, z.B. Wenn diese Dinge verstanden worden sind, kann man anfangen sie mehr und mehr auch in Anwendungen zu übertragen. Tut man dies zu früh, besteht die Gefahr in „alten Bewegungsmustern“, die ja auch sehr wirksam sein können, zu verharren aber eben kein Taijiquan zu praktizieren.
Welche Rolle spielt Yang ZhenHe für Ihre Taijigruppen?
Meister Yang ZhenHe ist mein Lehrer, den ich einmal im Jahr nach Hamburg einlade. Meister Yang arbeitet auf einem sehr hohen Niveau und ist eine Bereicherung für jeden Schüler. Auch wenn man selbst noch nicht so weit ist, bekommt man doch einen Eindruck, was Taijiquan sein kann und wo es hinführen kann. Es ist der lebendige Beweis des alten chinesischen Ausspruchs: „Wer regelmäßig Taijiquan übt, erlangt die Gesundheit eines Holzfällers, die Geschmeidigkeit eines Kindes und die Gelassenheit eines Weisen “.
Fördert die Kenntnis der chinesischen Sprache ein tieferes Verständnis des Taiji?
Auf jeden Fall. Für ein weiterführendes Verständnis des Taijiquan ist es unbedingt notwendig, die Anweisungen richtig zu verstehen und interpretieren zu können.
Lernen Sie und Ihre Schüler Mandarin?
Vor ca. zwei Jahren habe ich begonnen für und mit einigen interessierten Schülern einen Chinesisch-Unterricht einzurichten. Ich selbst beschäftigen mich schon länger mit der chinesischen Sprache.
Behandelt Ihr Unterricht auch die Verbindung des Taiji zur chinesischen Philosophie?
Ohne die Beschäftigung mit der chinesischen Philosophie und den klassischen Schriften wird es sehr schwierig, das Taijiquan in seiner Ganzheit zu erfassen.
Thomas Börnchen ist Autor des Werkes „Das Chinesische Tempelorakel – Weisheit und Lebenshilfe der Göttin Guan Yin„.
Interview: JMH-Reporter Jablonski
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Ein inspirierendes Interview. Das ist schon beeindruckend, in China Taiji Erfahrungen in einem Kampfkunstwettbewerb zu sammeln. Am Schattenboxen ist diese Mischung aus Kampfphilosophie, Mentaltraining und Energielehre so faszinierend.
Eigentlicheine gute Idee, das auch mal zu versuchen. Aber ich werde mich erst einmal an die entsprechenden Kurse im Fitnessstudio gegenüber halten. China liegt mir dann doch etwas zu weit entfernt.